Tone From The Top!

Was Compliance Manager aus den Unruhen in den USA lernen können.

Es ist still geworden rund um die Proteste in Portland im U.S. Bundestaat Oregon. Die richtige Zeit vielleicht, um einen Blick zurück zu werfen und zu versuchen, etwas aus diesen Ereignissen zu lernen.

Viel wurde diskutiert sowohl in den USA als auch in Deutschland: Über Polizeigewalt. Über Rassismus. Über die Proteste und die Gewalt auf den Straßen. Viele, auch ich, haben sich zwar mit den Protesten solidarisiert, gleichzeitig allerdings die gewalttätigen Ausschreitungen einiger weniger Chaoten verurteilt.

Wenig wurde jedoch darüber geredet, wie sich die Ausschreitungen erklären lassen. Umso bemerkenswerter war daher der Beitrag des amerikanischen, aus Südafrika stammenden Latenight Talkers Trevor Noah. Er wollte sich nicht mit „Das sind halt Chaoten“ zufriedengegeben, sondern hat nachgedacht und in einem 18 minütigem Monolog seine Sicht der Dinge erläutert. Link zum Video

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“What good does it do to loot Target?

But, how does it help you, to not loot Target?”

(Trevor Noah)

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Zentral in seiner Argumentation ist ein Gesellschaftsverständnis, welches wohl zu den Klassikern der Philosophie zählt: Die Gesellschaft als Vertrag. Danach ist eine Gesellschaft letztendlich nur eine Gruppe von Menschen, die sich dazu verpflichtet gemäß einheitlichen Regeln zu leben. Laut Noah ist auffällig, dass sich die allermeisten Menschen auch dann an diese Regeln halten, wenn sie nicht direkt von selbigen profitieren. Es scheint also so, als seien uns ein geordnetes Zusammenleben und das Funktionieren der Gesellschaft wichtig genug, um für deren Fortbestehen auch persönliche Nachteile in Kauf zu nehmen.

Aber wie lassen sich dann die vereinzelten Ausschreitungen der Black-Lives-Matter-Bewegung erklären? Antwort: für den Einzelnen ist es vielleicht möglich sein Unglück als persönliches Schicksal wahrzunehmen und dieses dem Gemeinwohl unterzuordnen. Die Diskriminierung Dunkelhäutiger hingegen ist kein individuelles Schicksal, sondern gruppenbezogen. Für Trevor Noah liegt genau hier der entscheidende Unterschied: Das grundsätzliche Interesse an der Einhaltung eines Gesellschaftsvertrages besteht zwar weiter, jedoch wird anhand der Situation dunkelhäutiger Amerikaner deutlich, dass der Gesellschaftsvertrag gar nicht dem Wohle aller dient. Stattdessen orientiert er sich an den Bedürfnissen einiger weniger und missachtet konsequent die Interessen anderer. Ebenso bedeutsam ist dabei, dass oft sogar die Vertreter des Staates und somit der Ordnungsgewalt die Regeln des Gesellschaftsvertrages brechen.

Es ist also verständlich, die Sinnhaftigkeit dieses Vertrages zu hinterfragen und wie Trevor Noah einen Perspektivwechsel zu verlangen. Die Frage sollte also nicht sein: „Was bringt es einem zu plündern?“, sondern vielmehr „Was bringt es einem nicht zu plündern?“. Oder anders formuliert: Was bringt es überhaupt einen Vertrag einzuhalten, wenn die anderen Vertragspartner die Regeln des Abkommens wiederholt verletzten?

Und was hat das alles nun mit Compliance Management zu tun? Nun, es belegt aus meiner Sicht eindrucksvoll, wie wichtig tatsächlich der überzeugende und gelebte Tone from the top ist.

Wir können ein Unternehmen, genauso wie eine Gesellschaft, als eine Gruppe von Individuen verstehen, die unter bestimmten Regeln zusammenarbeiten möchte. Diese Regeln sind klar formuliert und für alle transparent. Und sie sollten von allen, auch von denen, die die Aufgabe haben sie zu definieren und zu überprüfen, eingehalten werden. Beschäftigte werden gerne akzeptieren, dass es Reisekostenrichtlinien mit unterschiedlichen Grenzwerten z.B. für Hotelübernachtungen, Regelungen zur Verhinderung von Korruption oder Standards zur Vertragspartnerprüfung gibt. Sie würden aber nicht verstehen, wenn eine Führungskraft die Einhaltung von ihnen erwartet, sich aber selbst darüber regelmäßig hinwegsetzt. Ein überzeugend gelebter Tone from the Top geht aber noch über die Vorbildfunktion hinaus. Es gehört ebenso dazu, dass die Durchsetzung der Regeln transparent, fair und einheitlich und für alle Gruppen im Unternehmen gleich und in gleicher Art und Weise erfolgt.

Etwas Ähnliches gilt übrigens auch im Außenverhältnis. Aktuellen Meldungen zufolge gibt es eine auffällige Zunahme im Handel mit Wirecard Aktien im ersten Halbjahr 2020 – bei Beschäftigten der BaFin! Angenommen, dass diese Gerüchte stimmen, welches Signal wird damit gesendet?

Unternehmen brauchen Regeln, um zu funktionieren und ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Diese müssen natürlich gesetzlichen Vorgaben folgen, darüber hinaus aber auch ausgewogen sein und die Interessen aller berücksichtigen. Die Menschen im Unternehmen haben Verständnis für Unterschiede und für Einschränkungen. Das erfordert aber, dass sie sich zum einen als Interessengruppe vertreten sehen und andererseits überzeugt sein können, dass der „Vertrag“ von allen Seiten eingehalten wird.

 

Walk the talk!